"Es ist nicht nur das Gleichgewicht der Aromen. Natürlich ist das auch wichtig, aber es kommt auf das Gleichgewicht des Körpers und der Seele an."
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Die Grüne Pfanne sucht in Deutschland
Zum ersten Mal hat die Grüne Pfanne in Deutschland ein Portrait gesucht und gefunden. Naja, um ehrlich zu sein hatten wir Pfannenträger das Portrait gefunden, es fiel uns aber nicht schwer die Grüne Pfanne auf die Indische Küche neugierig zu machen. Und wir hatten nicht zu viel versprochen.
Die Taschen gepackt, die Akkus geladen, die Objektive geputzt und das Gastgeschenk – eine gute Flasche Whiskey – besorgt und schon startete die Reise ins Münsterland. Stadtlohn ist eine kleine Stadt im westlichen Münsterland nur wenige Kilometer von der niederländischen Grenze entfernt mit etwas über 20.000 Einwohnern. Ein schmuckes Städtchen, das wir gerne noch ausführlicher angesehen hätten, aber nachdem wir die Tür zum Garten von Maninderjid Singh ganant Mani passiert hatten, war klar – hier ist so viel zu entdecken und so viel zu sehen, da ist die Stadt schon fast egal.
Mani & Kanwarjit
Mani stammt aus der Region Punjab und zählt zu den Sikh. Die Sikh leben hauptsächlich in Nordindien, Mani verließ seine Heimat aber bereits in den 70er Jahren. Er hatte in Indien Mathematik studiert und wechselte dann an die TU Dortmund, um Informatik zu studieren. Damals hieß die Uni natürlich noch ganz schnöde Universität Dortmund und Informatik war ein sehr exotisches Studienfach. Durch seine Promotion in Enschede in den Niederlanden lernte er dann auch noch andere Teile Europas kennen. Bis zu seinem Ruhestand vor wenigen Jahren war er Lehrer an einem Berufskolleg. Den Kontakt zur jüngeren Generation erhält er aber trotz Pensionierung aufrecht. Mani hat einen Sohn, der ihn mittlerweile mit drei bezaubernden Enkelinnen beschenkt hat, auf die er sehr stolz ist. Heute, sagt er, ist Deutschland seine Heimat schließlich sei die Heimat immer dort, wo das Herz und die Familie zuhause sei. An Indien vermisst er eigentlich nichts, außer vielleicht seine Freunde.
Und da kommt Kanwarjit Singh ins Spiel. Zu Besuch für sechs Wochen, wurde Kanwarjit der Grünen Pfanne und uns als Schulfreund von Mani vorgestellt. Die Beiden kennen sich schon fast ihr Leben lang und doch ist dies der erste Besuch von Kanwarjit hier in Stadtlohn.
Das Lieblinsggericht „Chicken Curry“
Die Grüne Pfanne – und wir natürlich auch – war begeistert. So konnte sie nicht nur die Geschichte eines Deutschinders sondern auch die eines in Indien lebenden Menschen erfahren und vor allem schmecken. Das Lieblingsgericht von Beiden ist Chicken Curry mit Chana Dal und Joghurt. Kanwarjit hatte extra zwei Kisten voller indischer Gewürze aus der Heimat mitgebracht. Mani war ihm sehr dankbar dafür, denn er selbst kann höchstens ein bis zwei Mal in zwei Jahren nach Indien fliegen. Und das auch nur innerhalb eines kleinen Zeitfensters im Winter. Er hasst die Hitze die während des restlichen Jahres in Indien herrscht. „Es ist unerträglich – fürchterlich!“ sagt er. Auch Kanwarjit bestätigt das, denn obwohl er dort lebt kommt er immer weniger mit den extremen klimatischen Bedingungen zurecht. Eigentlich würde Kanwarjit am liebsten den ganzen Tag seines Aufenthalts schlafen, denn in Indien sei an schlafen zu dieser Jahreszeit aufgrund der Hitze nicht zu denken.
Indische Gewürze & Weisheiten
Der Grünen Pfanne und uns erklärten die Freunde als erstes die Gewürze für das Garam Masala. Diese Vielfalt an Aromen, die aufwändige Zubereitung und nicht zuletzt die spannenden Erklärungen der beiden Männer – das alles war sehr beeindruckend. Bislang hatte die Grüne Pfanne ja noch wenig Erfahrung mit Schärfe gemacht und auch wir drei waren etwas ängstlich, als wir sahen wie viele Pfefferkörner dazukamen. Schließlich zeigte Mani uns auch schon die Zutaten für die Paste und eine Großpackung rote und grüne Peperoni prangte oben auf. Es war eine echte Herausforderung für die beiden für uns zu kochen, schließlich mussten sie den Schärfegrad erreichen, der für ein indisches Gericht essentiell, gleichzeitig für den europäischen Gaumen noch essbar ist. Sie warnten uns, dass das Essen in Indien je weiter man nach Süden komme immer schärfer würde. In Südindien, behaupteten sie, könnten sie selbst auch fast nicht essen. Das Augenzwinkern, das sie sich zuwarfen, in Kombination mit dem schelmischen Lächeln, strafte diese Aussage dann aber doch recht offiziell Lügen.
Die Liebe im Gericht schmeckbar machen
Vor dem Essen steht natürlich die Zubereitung. Chicken Curry ist eigentlich gar kein Hexenwerk. Man benötigt nur einen Topf und bis auf die Gewürze sind die Zutaten auch einigermaßen leicht zu erhalten. Aber das gewisse Fingerspitzengefühl – diese besondere Balance der Schärfe – wir glaubten das dort die alleinige Schwierigkeiten läge. Als wir das sagten tauschten Mani und Kanwarjit nur einen wissenden Blick und schmunzelten.
„Es ist nicht nur das Gleichgewicht der Aromen. Natürlich ist das auch wichtig, aber es kommt auf das Gleichgewicht des Körpers und der Seele an.“ Nur wer mit dem Herzen, dem Körper und der Seele koche, könne die Liebe im Gericht schmeckbar machen. Und diese Liebe schmeckten die Grüne Pfanne und wir tatsächlich.
Sicherlich war das Chicken Curry scharf, aber diese Schärfe breitete sich nicht im Mund aus, sondern mehr in der Kehle. So blieben die Geschmacksrezeptoren im Mund voll einsatzbereit. Wir schmeckten die Süße der Tomaten und Zwiebeln, den leicht seifigen Geschmack des Ingwers, die besondere Knoblauchnote, Muskat obwohl davon ja gar nichts im Gericht war, ein bisschen Weihnachten schmeckte auch mit, durch den Zimt und die Nelken. Aber ehrlich gesagt kann man dieses Erlebnis – wir waren uns alle vier einig, es war ein Erlebnis – gar nicht beschreiben, man muss es gegessen haben.
„Morning-Tea“ & ein offener Meinungsaustausch
Nach dem Essen saßen wir alle noch lange im Garten. Es war wunderschön den beiden Indern und Manis Frau Annemarie dabei zuzuhören wie sie über die Vergangenheit und über Indien redeten. Als sie dann noch vom „Morning-Tea“ berichteten, der ihnen in Indien von Dienern im Bett serviert wird, das sie auch erst nach dieser Tasse verlassen, sehnten wir uns alle dort hin – trotz der extremen Temperaturen.
Aber nicht nur die gemeinsame Jugend war Thema. Auch eine kritische Auseinandersetzung mit den Umständen in Indien folgte. Für Kanwarjit war es sehr ungewohnt aber gleichzeitig auch faszinierend, mit welcher Selbstverständlichkeit wir (also junge Frauen) mit ihnen (also Männern in den besten Jahren) sprachen. Diese Generationen übergreifenden Gespräche seien in Indien fast unmöglich. Einen offenen Umgang mit politischen Einstellungen oder ganz allgemein, ein Meinungsaustausch über wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Unterschiede würden kaum bis gar nicht geführt. Auch Mani berichtete, dass das soziale Gefälle in Indien, trotz der 1950 erlassenen Verfassung, die Diskriminierung aufgrund der Kastenzugehörigkeit verbietet, an jeder Ecke präsent sei. Näher wollten die beiden aber nicht darauf eingehen. Wahrscheinlich auch, um unsere ausgelassene Stimmung und diesen wirklich schönen Tag nicht zu belasten.
Eins sagte Kanwarjit, der in Indien eine Farm besitzt auf der er je nach Jahreszeit Baumwolle, Zuckerrohr, Reis (in zwei Qualitäten, wobei er besonders stolz auf seinen Basmati Reis ist), Weizen, Senf und Sonnenblumen anbaut, dann aber doch noch, dass uns tief bewegte. Als wir ihn nach seinen Wünschen und Träumen für die Zukunft fragten, antwortete er, er wünsche sich nur, dass er im Alter jemanden hat, der ihn pflegt und unterstützt. Es ist seine größte Angst, denn in Indien gibt es kein Gesundheitssystem wie in Deutschland.
In diesem Moment wurde uns allen – naja, ob die Grüne Pfanne sich darüber auch Gedanken macht bleibt noch zu ergründen – etwas schwer ums Herz. Wir reden oft über den Ausverkauf des deutschen Sozialstaates und die Ungerechtigkeiten, die dieses System bereithält, aber wir haben Eines.
Die Grüne Pfanne und wir hatten also nicht nur einen aus kulinarischer Sicht herausragenden Tag, wir erhielten auch noch Einblicke in eine fremde Kultur, Gesellschaft und die Indische Küche. Darüber hinaus wurde uns durch den Perspektivwechsel einmal mehr verdeutlicht, dass wir in Deutschland, wenn wir klagen, dies auf sehr hohem Niveau tun.
Sehr viel schlauer, vollkommen gesättigt, glücklich und wirklich müde nach einem langen Drehtag, aber auch ein wenig demütig verließen wir am Abend Manis Garten. Für die Grüne Pfanne und uns gleichsam ein Garten Eden voller Freude, Glück, Liebe und leckerem Essen.
Vielleicht habt Ihr ja Lust das Chicken Curry nachzukochen und uns darüber zu berichten. Das Rezept findet Ihr in der Rubrik Rezeptgalerie oder in der Lieblingsgerichte-Kategorie. Wir freuen uns auf spannende Kommentare und Bilder.
2 Comments
Muss ich unbedingt ausprobieren 🙂
Das solltest du unbedingt. Das Chicken Curry von Mani war eine wahre Geschmacksexplosion.