„Alles was man braucht, findet man in der Erde vor der Haustür“
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Die Grüne Pfanne in Tilcara
Tilcara, im Norden von Argentinien, erinnert an eine Wild West City, in der ich (Patricia) das zweite Portrait kennenlernte. Inés war dabei, auf einem Feld Gemüse und Kräuter zu ernten. Schon von weitem strahlte sie Ruhe, Gelassenheit und Herzensgüte aus, sodass ich wie magisch zu ihr hingezogen wurde. Ich schlenderte also zu ihr und sprach sie an.
Auf die Frage, ob sie mir ein bisschen von sich erzählen und vor allem mit mir zusammen eins ihrer Lieblingsgerichte kochen wolle, strahlte sie übers ganze Gesicht.
Inés, die geborene Gastgeberin aus Tilcara
Inés ist 36 Jahre alt und hat eine Tochter, die sie alleine großzieht. Seit 10 Jahren lebt sie in Tilcara und hat sich hier ihren Traum von einem eigenen Restaurant erfüllt. Dass Inés ihre ganze Energie und Liebe in dieses kleine Restaurant steckt, merkt man überall. Die Einrichtung ist zwar einfach und auch nicht mehr die neueste, aber Inés hat eine so behagliche, gemütliche Atmosphäre geschaffen, dass ich mich in diesem hübschen Restaurant sofort wohl fühlte.
Wir kochten aber nicht in ihrem Restaurant, sondern unter freiem Himmel. Und zwar in der Gemeinschaftsküche, die sich Inés mit Ihrem Nachbarn und Freund Lalo teilt. Man sollte denken, dass jemand, der sein Geld mit kochen verdient, in der Freizeit nicht auch noch Lust hat, seine Familie und Freunde zu verköstigen, aber weit gefehlt. Inés liebt nichts mehr, außer ihrer Tochter natürlich, als neue Rezepte auszuprobieren, viele Menschen um sich zu haben und diese mit ihren Leckereien zu verwöhnen. Sie ist eben die geborene Gastgeberin.
Je mehr Inés mir von ihrem Leben zeigte und erzählte, desto klarer wurde mir, dass sie es nicht einfach hat. Sie lebt für ihre Tochter und ihr Restaurant, das zugleich ihre Wohnung ist. In der Küche stehen zwei Betten. Das sei kein Problem, da sie sowieso nicht viel Zeit zum Schlafen habe, schließlich müssten die Tiere versorgt werden und die Gartenarbeit bestenfalls vor der schlimmsten Hitze erledigt sein. Die Tiere gehören ihrem Nachbarn Lalo. Er lebt vegetarisch und nur von dem was die Natur und die Tiere ihm zur Verfügung stellen.
Als ich Inés fragte, ob sie mit Lalo zusammen sei, denn die beiden wirkten sehr vertraut und es schien mir, als seien sie auch sehr aufeinander angewiesen, fing Inés knochenhart an zu lachen. Erstens ist Lalo vergeben und zweitens würde sie lieber über glühende Kohlen laufen, als sich noch einmal an einen Mann zu binden. Sie hat schlechte Erfahrungen gemacht, die Männer in Tilcara sind in ihren Augen ohnehin einen zweiten Blick nicht wert und sie braucht keinen Mann um glücklich und erfolgreich zu sein.
Beeindruckend fand ich auch ihre unheimlich positive Einstellung zum Leben und ihre Gewissheit, dass sich die Welt auf dem Weg in eine bessere Zukunft befindet. Zunächst dachte ich, sie sei ein bisschen realitätsfremd, was ich nicht mal schlimm gefunden hätte, schließlich lebt sie in einem echten Paradies auf Erden. Aber nein, sie weiß um die Probleme, setzt sich kritisch mit den politischen Themen in ihrem Land und darüber hinaus auseinander, verliert dabei aber nie ihren Optimismus, schließlich sei das Leben zu kurz, um es aus traurigen Augen zu betrachten. Sie ist davon überzeugt, dass jeder Mensch genug zum Leben haben und Armut bekämpft werden müsse. Eine gerechtere Politik auf der ganzen Welt könnte das erreichen, so glaubt sie, aber durch Gier und Machthunger würde alles zerstört. Der Raubbau an der Natur ist ihr ein Gräuel und sie versucht, in ihrer kleinen Sphäre die Erde zu nutzen, aber nicht auszubeuten. „Alles was man braucht, findet man in der Erde vor der Haustür“, sagte sie. Als wir zusammen kochten, habe ich genau das erlebt.
Alles was man braucht, findet man in der Erde vor der Haustür
Zunächst gingen wir in den Garten. Naja, Garten vermittelt vielleicht einen falschen Eindruck, es war eher so etwas wie ein Feld, auf dem verschiedene Lebensmittel angebaut werden. Wir liefen also durch die Pflanzen und ernteten die Zutaten.
Bei der Gelegenheit erzählte sie mir, dass Quinoa nicht nur eine der wichtigsten Zutaten für unser Rezept sei, sondern auch eins der beliebtesten Lebensmittel in der Nordwest-Region Argentiniens. Ich hoffte, ihr damit zu imponieren, dass ich weiß, dass Quinoa von den spanischen Eroberern einst verboten worden war. Sie wollten den Widerstand der Inkas und Azteken schwächen, indem sie ihre Hauptnahrungsquelle, die Quinoa Pflanze, vernichteten und ihren Anbau unter Strafe stellten. Dies ist übrigens auch der Grund, weshalb Quinoa in Europa erst vor wenigen Jahren als Lebensmittel wiederentdeckt wurde. Inés grinste nur. Genau das ist nämlich ihr Antrieb. Sie möchte die traditionelle argentinische Küche aus der Versenkung heben und an die nächste Generation weitergeben. Dafür trifft sie sich regelmäßig mit den „alten Frauen“. Als ich sie näher zu diesen Frauen befragte, wurde sie allerdings etwas einsilbig. Rezepte und Zutaten, auch unbekannte, verriet sie mir bereitwillig. Es scheint jedoch noch mehr geheimes Wissen zu geben, das diese Damen seit Generationen schützen. Dieses wollte selbst die sonst so offene und fröhliche Inés mir nicht anvertrauen. Aber wer könnte ihr das verdenken.
Das Lieblinsggericht „Quinoa Gemüseeintopf“
Der Quinoa-Eintopf, den wir dann unter freiem Himmel zubereiteten und aßen, schmeckte so herrlich, dass mir bei der Erinnerung alleine schon das Wasser im Mund zusammenläuft. So viele Gemüsesorten: Zucchini, Kürbis, Süßkartoffel, Mangold, Tomaten, Brokkoli, Erbsen, Möhren, Bohnen und Frühlingszwiebeln – vereint in einem großen Topf.
Inés zu begegnen war mehr als ein Glücksgriff. Ihr Lieblingsgericht Quinoa Gemüseeintopf und der Ort, an dem wir es genossen, ist ein Aspekt daran. Viel wichtiger ist aber, dass das Zusammensein mit ihr mich im Innersten berührt und auch verändert hat. Die Verbundenheit mit der Natur, die Inés lebt, hat etwas Spirituelles und Fremdes und ich merke, dass das irgendwie auf mich abgefärbt hat. Ich achte jetzt noch mehr auf die Schätze der Natur und weiß sie besser zu würdigen. Schon in Deutschland habe ich versucht, mich bewusst zu ernähren, aber das ewig gepredigte biologisch, saisonal und regional scheint mir nun vollkommen unzulänglich. Es kommt mindestens genauso darauf an, die Früchte der Erde wertzuschätzen.
Inés ist einer der spannendsten Menschen, die ich je kennengelernt habe. Sie hat kein leichtes Leben, quasi keine Freizeit und interessiert sich dennoch für Politik, Natur und vor allem Menschen. Es war eine Ehre für mich, mit dieser wundervollen, lebenslustigen Frau einen ganzen Tag zu verbringen und ihr Lieblingsgericht mit ihr zuzubereiten.
Vielleicht habt Ihr ja Lust den Quinoa-Gemüseeintopf von Inés nachzukochen und uns darüber zu berichten. Das Rezept findet Ihr in der Rubrik Rezeptgalerie oder in der Lieblingsgerichte-Kategorie. Wir freuen uns auf spannende Kommentare und Bilder.
2 Comments
Ich liebe Quinoa, muss ich unbedingt mal ausprobieren!
Berichte, wie es geschmeckt hat 🙂