Ich gestehe, mit der nigerianischen Küche habe ich mich bis lang noch nicht auseinandergesetzt. Umso gespannter und neugieriger wurde ich, als mir Kerstin, die Schwester meines Schwagers, erzählte, dass sie jemanden aus Nigeria für Pfannenliebling an Land gezogen hatte. Die erste Kontaktaufnahme mit Uche Austine Collins erfolgte via Facebook und ich war auf Anhieb begeistert von seinem Lieblingsgericht Chicken Stew & Yams. Wir machten noch am selben Abend einen Drehtermin in Bildechingen, einem Stadtteil der Kreisstadt Horb am Necker in Baden-Württemberg aus.
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Uche Austine Collins
Und da stand ich dann auch an einem sonnigen Samstagvormittag in Bildechingen. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl vor einem Menschen zu stehen, nicht zu wissen wer das ist und diese Person einfach nur durchs Kochen kennenzulernen. Uche war mir auf Anhieb sympathisch. Wir saßen beide im Esszimmer und ich war sehr erstaunt darüber, dass Uche bereits so gutes Deutsch spricht. Schließlich ist er erst seit 2 Jahren hier. Er musste schmunzeln und meinte nur, dass ihm sein Schwiegervater zu Weihnachten ein Buch mit dem Titel, „Deutsch in 30 Tagen“ geschenkt hat. Und er seitdem sehr fleißig am Lernen ist und große Unterstützung von seiner Frau Clarissa und seinem Schwiegervater bekommt. Das motiviert ihn sehr. Er freut sich bereits auf den Moment, wenn seine Aufnahmegenehmigung erteilt ist und er am Deutschunterricht teilnehmen kann.
Doch wie kam es überhaupt dazu, dass er jetzt in Deutschland ist?
Uche ist aus Mgbowo, Enugo state aus Igboland, Nigeria. Er absolvierte hier seinen Bachelor in Biologie und Biotechnologie. Durch seine Tätigkeit als Servicetechniker bei Pepsi zog er in den Norden nach Borno, weg von seinen Eltern und Freunden. Er erzählte mir, dass das Dorf in dem er gewohnt hat von Boko-Haram-Kämpfe angegriffen wurde. Ich merkte an seiner Stimme und auch an seiner Körperhaltung, dass es ihm sehr schwer fiel darüber zu reden. Er konnte im Schutz der Dunkelheit fliehen. Er meinte, dass er viel Glück hatte und die richtigen Personen zum richtigen Zeitpunkt getroffen hat. Auf dem Weg nach Europa war er im nordafrikanischen Libyen für 5 Monate gestrandet, bevor er dann übers Mittelmeer nach Verona, Italien und schließlich nach Rosenheim in Deutschland kam.
Uche fügte noch hinzu, dass er an Gott glaubt und dass alles im Leben so kommen muss, wie es geschieht. Er musste seine Heimat verlassen, konnte sich von seinen Eltern und Geschwistern nicht verabschieden. Er durchlebte einen wahren Horrortrip und lernte schließlich über eine Dating-App seine Frau Clarissa kennen und lieben. Heute ist er wieder glücklich, durch den Fußballverein hat er bereits Freunde gefunden und als Produktionsmitarbeiter bei Volz Luftfilter GmbH & Co.KG konnte er auch beruflich in Deutschland Fuß fassen. Natürlich vermisst er seine Familie, seine Freunde und die Heimat Nigeria, aber er glaubt daran, dass alles im Leben seinen Grund hat. Er vertraut darauf, dass er seine Familie so bald wie möglich wiedersehen kann.
Wir haben uns noch eine Zeit lang darüber unterhalten, doch Geräusche aus der Küche brachten uns dann doch dazu, mal nach dem Rechten zu schauen. Und siehe da, die beiden Hauskatzen hatten sichtlich Spaß an meinen Schuhen und meinem Kameraequipment 🙂 Nachdem ich dann meine Sachen in Sicherheit gebracht habe war es endlich an der Zeit für sein Lieblingsgericht.
Chicken Stew und Gewürzexotik
Chicken Stew ist ein sehr aromatisch,- würziger Tomateneintopf mit Hühnchen.
Die Gewürze waren bereits bei meiner Ankunft in der Küche in kleine Schälchen drapiert. Das ergab ein tolles Bild und es lag ein mir unbekannter Duft im Raum. Auf die Frage, was hier denn so exotisch riecht, kam die Antwort, gemahlener Crayfish. Wie bitte?
„Gemahlene und getrocknete Flusskrebse werden als Gewürz in der nigerianischen Küche oft verwendet. Sie verleihen dem Essen einen sehr traditionellen und ausgeprägten Geschmack und sind Bestandteil vieler typischer Gerichte in Nigeria, so Uche. Aha, na da bin ich aber mal gespannt! 🙂
Des Weiteren finden Curry, Rosmarin, Thymian, ein Pfeffersuppengewürz und Grounded Pepper Verwendung bei seinem Lieblingsgericht.
Grounded Pepper ist ein Gewürz aus gemahlener scharfer Chili. Das Pfeffersuppengewürz ist eine Gewürzmischung aus Muskatnuss, Mohrenpfeffer (pfeffrig scharf und bitter im Geschmack) und Paradieskörner, die sowohl nach Pfeffer, als auch nach Kardamom, Zimt und Ingwer schmecken. Paradieskörner findet man auch in der beliebten marokkanischen Gewürzmischung Ras el Hanout wieder.
Beim Zubereiten erzählte Uche, dass er das Kochen von seiner Mutter gelernt hat. Ihr war wichtig, dass auch ihre Söhne dieses Handwerk erlernen, damit sie selbstständig sind und ihre Ehefrauen unterstützen können. Erstaunt hat mich auch, dass Uche sein Lieblingsgericht ganz ohne Rezept zubereitete. Dazu meinte er, dass es in Nigeria nicht typisch sei die Rezepte niederzuschreiben. Diese werden von der Mutter an die Kinder weitergegeben. Uche schmeckt seine Gerichte einfach mehrfach ab, bis diese den richtigen Geschmack erreicht haben.
Zusammen mit seiner Ehefrau Clarissa kocht Uche beinahe jeden Samstag nigerianisch. Er liebt diese Küche und möchte ihr all die fantastischen Gerichte zeigen. Dafür beneide ich sie sehr 🙂
„Yam-Wurzel ist Nahrung und Nahrung ist Yam-Wurzel“
Die Yam-Wurzel ist eine stärkehaltige faserige Knolle und Grundnahrungsmittel der nigerianischen und westafrikanischen Küche. Yams besitzen, ähnlich wie Kartoffeln, eine braune Schale. Das feste Fruchtfleisch variiert farblich je nach Sorte von weiß über gelb bis violett.
Uche erzählt mir bei unserem Drehtag, dass man dieser Knolle in Nigeria auch ein eigenes Festival, das New Yam- Festival widmet. Verschiedene Dorfgemeinschaften feiern das New Yam Festival auf unterschiedliche Weise. Eins haben alle gemeinsam, das Festival findet in Form einer Parade statt, die mit traditionellen Liedern, Tänzen und Trommeln begleitet wird. Weil eine gute Yams-Ernte überlebenswichtig ist, danken die Menschen den Geistern der Erde und des Himmels. Sein Lieblingsgericht erinnert ihn immer an dieses besondere Festival im Jahr.
Zubereitet wird die Yam-Wurzel wie Kartoffeln. Alle Zutaten bekommt man in Deutschland in gut sortierten Afrika- oder Asia-Läden.
Nigerianische Küche
Im Interview zählte Uche einige Klassiker der nigerianischen Küche auf. Diese möchte ich Euch natürlich nicht vorenthalten. Vielleicht komme ich ja irgendwann in den Genuss eins oder mehrere davon zu kosten.
Thypisches Frühstück in Nigeria
Akara sind nigerianische würzige Bohnenpancakes/ -bällchen aus Schwarzaugenbohnen, die gerne zusammen mit Akamu-Porridge gegessen werden.
Akamu ist ein Porridge, der einen ausgeprägten sauren Geschmack besitzt. Akamu wird aus rohem weißen oder gelben Mais hergestellt. Der Mais wird hierfür einige Tage eingeweicht, zu einer Paste gemahlen und gesiebt, um die Schalen zu entfernen. Der (rohe) Akamu wird dann noch einige Tage lang fermentiert, damit er noch saurer schmeckt. Uche zeigte mir eine Fertigmischung, die er im Afrika-Shop gekauft hat. Einfach mit kochendem Wasser vermengt, kann Akamu sehr schnell zubereitet und zusammen mit Zucker und Kondensmilch serviert werden.
Moi Moi zählt zu den Frühstücksklassikern und ist eine mit Chili gewürzte Pastete aus pürierten Bohnen, Zwiebeln und Eiern.
Die traditionell nigerianische Küche basiert hauptsächlich auf Knollengemüse wie Yams, Maniok (Cassave), Cocoyam und Süßkartoffeln, aber auch Kochbananen sind hier wichtiges Grundnahrungsmittel. Uche liebt Yams mit Bohnen, mit sonstigem Gemüse, Porridge-Yams, Gari, Fufu und Abacha.
Gari ist ein Brei aus fermentierten und getrockneten Manioks. Der Geschmack ist leicht säuerlich.
Fufu ist ein fester Brei aus Yams (alternativ Maniok) und Kochbananen.
Abacha, auch als Afrikanischer Salat bezeichnet, wird aus getrocknetem und zerkleinertem Maniok zubereitet und mit Crayfish, Palmöl, getrocknetem Fisch, Zwiebel und Muskatnuss verfeinert.
In Nigeria werden auch gerne Eintöpfe und Suppen gereicht. Da es in diesem Land sehr heiß ist, helfen Suppen dabei, ausreichend Flüssigkeit aufzunehmen.
Beim Egusi-Eintopf spielen Egusi-Kerne die Hauptrolle. Diese Melonenkerne verleihen der Suppe ihre Farbe und ein einzigartiges Aroma. Blattspinat, Egusi-Kerne und ein Suppenhun bilden die Basis dieser Suppe.
Für die Ogbono Suppe wird ein Pulver aus gemahlenen Mangosamen benötigt. Daneben finden noch Zutaten, wie Rindfleisch, Zwiebeln, Paprika, Chili, Tomaten und Palmöl Verwendung.
Die grüne Okraschote ist in Nigeria sehr beliebt und ist wie der Name bereits verrät Hauptbestandteil der Okrasuppe 🙂 Auch Pfannenliebling hat bereits zwei Okraschotengerichte im Reportoire 😉
Uche und Pfannenliebling
Uche findet es toll, dass er ein Stück seiner Kultur bei Pfannenliebling veröffentlichen darf. Er ist stolz darauf, Nigerianer zu sein und möchte ein Stück seiner Heimat der Welt zeigen. Er schätzt es, dass sich die Grüne Pfanne über das Lieblingsgericht ganz unvoreingenommen an neue Kulturen herantastet. Da bleibt mir nur zu sagen: Danke lieber Uche, für deine Offenheit, dein Vertrauen und deine wunderbaren Worte. Sie gehen runter wie Öl 😉 Ich bin ganz verzaubert von diesem exotischen Lieblingsgericht und würde am liebsten jeden Samstag zum Essen vorbeikommen 🙂 Ich wünsche mir erneut in den Genuss deiner Kochkunst zu kommen.
Durch Pfannenliebling bekomme ich wunderbare Einblicke in die kulturelle Vielfalt unserer bunten Welt. Ich bin stolz auf meinen Blog Pfannenliebling und auch dankbar für jede Begegnung, jedes Gespräch und alle bislang entdeckten Lieblingsgerichte.
Der Tag bei Uche war einfach unbeschreiblich. Seine Geschichte hat mich sehr bewegt und mitgenommen. Die Vorstellung, sein Heimatland verlassen zu müssen, ohne den Eltern und Geschwistern Lebewohl zu sagen, finde ich schier unerträglich. Ich hoffe, dass Uche auch als Biotechnologe in Deutschland erfolgreich wird und, dass er seine Eltern so bald wie möglich wiedersehen kann.
Dieser nigerianische Eintopf ist eine wahre Geschmacksexplosion für die Sinne und harmoniert wunderbar mit der Yam-Wurzel. Unfassbar, was Aromen in diesen Kombinationen so alles ausmachen können. Ich habe mir bereits einen kleinen Vorrat an diesen Gewürzen angelegt 😉 Dem nigerianischem Kochrevival steht nichts mehr im Wege 🙂
Eure Pfannenträgerin Alwina
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